23
Apr-2015

Brigittes Büdchen

Büdchen   /  

Wenn man in diesen Tagen durch die Kölner Südstadt geht, sich in den Kneipen mit Veedelsbewohnern unterhält, dann gibt es nur ein Thema: Brigittes Büdchen.

Der kleine Kiosk am Ende der Merowingerstraße, kurz vor der Lutherkirche, geht im Straßenbild der Kölner Südstadt fast unter. Unscheinbar in einem einstöckigen Gebäude, zwischen Funkwagen-Station, Plakatwand und Eckkneipe, wirkt das gesamte Ensemble wie ein Relikt aus längst vergangenen Tagen.

Wer eintritt in Brigittes Büdchen, tritt ebenso ein in eine andere Welt: Hier herrscht Wärme vor und man blickt sogleich in zwei aufmerksame wie herzliche Augen. Brigitte, stattliche 73 Jahre alt und unheimlich agil, kennt so gut wie alle ihre Kunden, auch wann sie zuletzt da waren und wie regelmäßig sie vorbeischauen. Für viele, die sich hier mit Zigaretten, Zeitungen, einer gemischten Tüte oder – und das wissen bisher leider nur echte Büdchenkenner – gekühltem Weißwein versorgen, ist Brigitte die gute Seele des Veedels, ein Anker in der heute so schnelllebigen Zeit. Seit über 20 Jahren steht Brigitte im Büdchen – und will das auch noch ein paar Jahre tun.

Brigittes Büdchen in Not

Doch auch Brigittes Büdchen hat Schwierigkeiten, sich finanziell über Wasser zu halten. Wie für viele Büdchenbesitzer sind lange Ladenöffnungszeiten von Supermärkten und Tankstellen eine Gefahr für die wirtschaftliche Existenzgrundlage. Am Sonntag geöffnete Bäckereien nehmen zudem vielen Büdchen auch die Brötchen-Nische weg. Was für viele Verbraucher eine große Entlastung im Alltag und durchaus eine Anpassung an die heutigen Konsumgewohnheiten ist, bedeutet gleichzeitig jedoch auch das Aus für viele Kölner Büdchen.

So geriet auch Brigitte in den letzten Monaten immer wieder in die schwierige Situation, die Miete nur mit Ach und Krach bezahlen oder keine neuen Waren mehr bestellen zu können. Ein Teufelskreis: Keine Waren, keine Kunden, kein Umsatz. Dass das die 73-Jährige auch mental mitgenommen hat und um ihren ohnehin wenigen Schlaf brachte, kann sich jeder vorstellen.

Welle der Solidarität

Doch Köln wäre nicht Köln, wenn guten Menschen nicht auch Gutes widerfahren würde: Nachdem die Regale in Brigittes Büdchen immer leerer wurden, sprachen besorgte Kunden die Besitzerin an. Schnell war im Veedel klar: Es musste geholfen werden. Dass man nicht nur bloßen Aktionismus walten ließ, sondern nachhaltig verbessern möchte, erkennt man an der strukturierten Vorgehensweise des Helferteams, bestehend aus etwa 20 Jungs und Mädels aus dem Veedel. Flyer wurden gedruckt und verteilt, eine Facebook-Seite erstellt und der Express berichtete, um zunächst schnell Aufmerksamkeit zu erziehen, das Veedel für das Problem zu sensibilisieren und Geld für neue Waren in die Kasse zu bekommen.

Alles sei noch nicht wieder im Lot, sagt Brigitte. Aber man hat die Talsohle wohl durchschritten und befinde sich wieder im Aufstieg, und vor allem hat es ihr wieder Mut gegeben, dass sie doch nicht alleine sei. Jetzt kann sie auch wieder ein bisschen besser schlafen und lacht wieder mehr, sagt sie verschmitzt. Und auch: Ein fröhlicher Mensch ist sie eigentlich, keiner der nicht gerne lacht.

Das merkt man ihr sofort an und ebenfalls, warum junge Menschen ihre Freizeit opfern um einer 73-Jährigen Büdchenbesitzerin helfen: Weil die Südstadt nicht dasselbe wäre ohne Brigittes Büdchen. Und bei allem Pathos, geht es ja vor allem um den Menschen, und um die Selbstverständlichkeit zu helfen.

Und schon alleine Brigitte wieder lachen zu sehen, ist Belohnung und Dank für die aufgebrachte Arbeit genug!

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